att theaterproduktion
 
Angela Richter: Magic Afternoon
Von Wolfgang Bauer
 

Foto: Friedemann Simon
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  • Regie: Angela Richter
  • Raum: Jonathan Meese
  • Kostüme/Künstlerische Mitarbeit Bühne:
    Steffi Bruhn
  • Musik:Ted Gaier/Melissa Logan
  • Dramaturgie:Jens Dietrich
  • Licht: Oliver Petrowitsch
  • Videodokumentation: Jacqueline Delaye
  • Regieassistenz:Katrin Dod
  • Bühnenassistenz: Katrin Bahrs
  • Hospitantinnen: Andrea Kaak, Andrea Polewka
  • Darsteller: Yuri Englert, Niels Kurvin, Eva Löbau, Charlotte Pfeifer, Christoph Theußel
  • Gesamtkoordination: Andrea Tietz – att
  • Dauer: 70 Min.
  • Premiere: Mi. 26. 01. 2005, Kampnagel Hamburg
  • Weitere Vorstellungen: Fr. 28.01. – So. 30.01.05,
    Do. 03. - Sa. 05.02.05
  • Gastspiele: siehe Spieldaten



Eine Produktion von Angela Richter mit Kampnagel Hamburg und dem FFT Düsseldorf in Zusammenarbeit mit att. Gefördert durch die Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und der Kunststiftung NRW. Mit freundlicher Unterstützung der Hamburgischen Kulturstiftung.


„Umbringen mag i mich auch net mehr."

Draußen strahlt ein herrlicher Sommernachmittag, im Zimmer vom Möchtegern-Schriftsteller Charly aber ist „die Wölt unhamlich schiach": die Luft zum Schneiden vom Rauch und voller gereizter Langeweile. In dieser stickigen Selbstisolation ist es zum Spazieren gehen zu heiß, zum Baden ist man zu faul, im Kino laufen nur schlechte Filme, an Geld fehlt’s und an Ideen zum Schreiben. Dann halt schon am Nachmittag saufen. Einen kiffen. Irgendeine Platte hören. Mit irgendwem irgend etwas reden. Oder halt doch nicht. Nicht schon wieder. Man suhlt sich im sinnlosen Nichts.

Charly, Birgit, Joe und Monika haben kaum eine Vergangenheit, keine Zukunft und eine höchst belanglose Gegenwart. Es gibt keine Beziehungen mehr, sondern nur Stichworte und Reaktionen darauf. Die vier wollen irgend etwas, wissen aber nicht was; warten auf irgend etwas, wissen aber nicht, worauf. In der Zwischenzeit wird rivalisiert, gedemütigt, kümmerlicher Sex versucht, geboxt, geküsst, werden Nasenbeine gebrochen, Männlichkeitsposen anstudiert, diese wiederum hinterhältig angegriffen; und schließlich gibt es – versehentlich – einen Mord. Wenn dann plötzlich einer tot ist, kann man – wie ein kleines Kind – nur staunen und sich vor Angst im Kleiderschrank verstecken.

Magic Afternoon zeigt die gnadenlose Grausamkeit und das klaustrophobische Dahinvegetieren in einer Beziehung, die sich aufgegeben hat, weil man selbst alles aufgegeben hat, in der man keine Wünsche, keine Vorstellungen, keine Pläne, keine Lust mehr hat. So ohnmächtig und hilflos widerlich, dass es gut wäre, der andere hätte Schuld. In der man alles und nichts und nichts einen Wert hat; in der man alles vernichtet, ohne es überhaupt zu bemerken: „Bei dir verblöde ich immer mehr..." – „Ich auch..." – „Bei dir?" – „Bei dir."

Die Figuren sind Teil einer popkultivierten Generation, die sich über die neuesten Platten und Programmkinofilme unterhält, Wittgenstein, Ionesco, Genet und Beckett liest, aber – oder vielleicht auch genau deswegen – keine Konsequenzen daraus zieht, keinen Gestaltungswillen ihrem Leben gegenüber zeigt.

Unsere Absicht, die Distanzierungsspanne zwischen Zuschauer/ Theatergänger und den Figuren schrumpfen zu lassen, ist auch hier die Herausforderung, der wir uns stellen wollen. Die vermeintlich progressiven, von spießigen Konventionen befreiten Protagonisten reproduzieren Verhaltensweisen einer Gesellschaft, deren Ordnungs-, Unterdrückungs- und Vernichtungsmuster sie längst der Lächerlichkeit preisgegeben glaubten.

In seiner historisch-politischen Referenzlosigkeit hat auch Magic Afternoon 30 Jahre nach seiner Entstehung nichts an Aktualität eingebüßt. Ziel- und Orientierungslosigkeit, Überforderung, Resignation und Terror, Reizüberflutung, die zur totalen Stagnation führt, gemeinsame Vereinsamung, die Unfähigkeit, mit der eigenen Unfähigkeit umzugehen, sind Themen, die viel diskutiert und nicht nur als Probleme des Einzelnen, sondern auch als Gesellschaftskrankheiten diagnostiziert werden.

„...aber eigentlich is des eh alles reine Nervensache...“

Pressestimmen

Angela Richter ist dieses völlig undramatische Sprachwerk mit Humor angegangen. Die Schauspieler dürfen in breitem Kunst-Österreichisch palieren. Die Sprache wird zu einem Code, vergleichbar mit heutiger Jugendsprache. Ob in Rap-Manier oder mit gedehnten Austrazismen – man quasselt sich ohne Sinn und Bedeutung durch den Tag. Am Ende geschieht sogar noch ein Mord in diesem sehenswert bittersüßen Jugend-Dramolett.
Lübecker Nachrichten, 28.01.2005

Angela Richter hat für die enervierende Leere des Stücks Form, Rhythmus und stimmiges Timing gefunden. Sie amüsiert anstatt die Langeweile der Bühnenfiguren auf die Zuschauer zu übertragen – und erreicht doch, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Taz, 29./30.01.2005


Meeses Environment mit den hingerotzten Sprüchen spiegelt visuell das Nonsense-Gelabere der selbstverliebt um sich kreisenden Jungkünstler-Clique.

Hamburger Abendblatt, 28.01.2005

Richters Inszenierung ist pathetische Pose und schwarzhumorige Parodie.

NRZ, 19.03.2005