Angela Richter: Der Fall Esra
Rezeptionsdrama eines Romans

Ausgezeichnet mit dem Rolf-Mares-Preis 2009 der Stadt Hamburg
in der Kategorie „außergewöhnliche Aufführung“
 
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Foto: Arno Declair
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  • Regie und Konzept: Angela Richter
  • Bühne: Katrin Brack
  • Kostüme: Britta Leonhardt
  • Licht: Carsten Sander
  • Dramaturgie: Jens Dietrich, Andras Siebold
  • Video: Philipp Haupt
  • Produktionsleitung: Andrea Tietz / att
  • Assistenz Regie: Christa Hohmann
  • Assistenz Bühne: Joasia Biela
  • Hospitanz: Natalia Herrera-Szanto
  • Darsteller: Sebastian Blomberg, Yuri Englert, Dietrich Kuhlbrodt, Melanie Kretschmann, Oana Solomon, Christoph Theußl
  • Uraufführung: Do. 02.04.2009; Kampnagel Hamburg
  • Weitere Vorstellungen: So. 05.04., Mi. 08.04., Do 09.04., Fr. 10.04., Sa. 11.04.
  • Premiere Düsseldorf: Fr. 15.05., FFT Düsseldorf
  • Weitere Vorstellungen: Sa. 16.05.2009
  • Wiederaufnahme:  Fr. 12.03. – So. 14.03.2010, Hebbel am Ufer (HAU 3), Berlin

Eine Produktion von Angela Richter, Kampnagel Hamburg und FFT Düsseldorf. Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien Hamburg.

Am 12. Oktober 2007 erklärte das Bundesverfassungsgericht endgültig, dass Maxim Billers Roman ESRA wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch den Verlag Kiepenheuer & Witsch nicht verbreitet und veröffentlicht werden darf: Das Ende eines Romans, der in den Händen von Richtern, Journalisten und anderen Interessierten zu einem Polit- und Boulevardstück geworden ist. Das Verhältnis von Fiktion und Realität wird unscharf, und der Roman über die tragische Romanze zwischen einem jüdischen Schriftsteller und einer türkischstämmigen Frau in Deutschland wird als zu real empfunden. Ein Roman, über den die FAZ schrieb: „Ein so von Liebesschmerz, Liebesglück und allgemeinen Liebeswirren durchdrungenes und dabei kompromisslos modernes, ja in der Zeitgenossenschaft seiner Sprache radikales Buch hat es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gegeben.“

Angela Richter inszeniert als Konsequenz daraus ein Stück über die Ereignisse, Prozesse, Diskussionen und vielfältigen Kommentare, die den Roman begleitet haben. Ein Stück über die Ehrlichkeit der Kunst, die Verlogenheit des Wirklichen und die Verwandlung von Literatur in Gossip.


Pressestimmen:

Auf Kampnagel hat Angela Richter den „Fall Esra“ nun als „Rezeptionsdrama eines Romans“ inszeniert. Einen leuchtenden Wald aus 612 Glühbirnen hat Katrin Brack dazu entworfen. Es ist ein nahezu sakraler Raum, in dem die Darsteller sich zwischen den Kabelschnüren vorsichtig ihren  Weg suchen.

Unterhaltsam-ironisch nähert sich Angela Richter dem „Fall Esra“ und schafft einen Theaterabend voller Anspielungen, Schweigeminuten und Verweise.

Tagespiegel, 04.04.2009

Starke Sinneseindrücke zu Beginn: Die Ouvertüre zu Wagners „Tristan und Isolde“, dazu hunderte gelber Glühbirnen, die über der Spielfläche hängen. Das eine ist der Soundtrack für eine der schmerzvollsten Liebesgeschichten der Menschheit, das andere das Bühnenbild von Katrin Brack – eine Mischung aus Verirrung und Blendung.

Hamburger Morgenpost, 04.04.2009

Angela Richter hat in der Uraufführung von „Der Fall Esra“ auf Kampnagel klug und durchaus mutig aus Versatzstücken des gerichtlich verbotenen Romans „Esra“ von Maxim Biller, Gerichtsprotokollen und intimen Referenzen der Schauspieler eine intelligente und erheiternde Collage geschraubt.

Hamburger Abendblatt, 04.04.2009

So dicht diese Szenenfolge ist, in der Dietrich Kuhlbrodt, Schauspieler und Oberstaatsanwalt a.D., als Richter irgendwann ein Urteil fällt und sich dabei wunderbar verzettelt; sie gewinnt ihre eigentliche Dynamik erst durch eine völlig überraschende und in ihrer Konsequenz beeindruckende Wende. Denn plötzlich packen auf der Bühne die Schauspieler aus und bedienen das Publikum mit genau dem, was es aus ihrem vermeintlich realen Schauspielerleben schon immer wissen wollte: Mit der Nachricht von Orgien und durchkoksten Nächten mit einer bekannten Schauspielerin besorgt es Sebastian Blomberg als „Sebastian Blomberg“ in einer phantastisch gespielten Szene den Zuschauern, mit glamourösen Abendessen, bei denen wirklich alle große Namen zugegen waren – und treibt die Verwischung der Grenzen von Fakten und Fiktion, von Kunst und Privatem so bis zum Äußersten…

FAZ, 05.04.2009

Amüsant, intelligent und hinterfotzig hat die Regisseurin Lüge und Wahrheit gemischt. Im souveränen, durch Melanie Kretschmann und Christoph Theußl ergänzten Sextett hat sie Spieler, erfahren in Balanceakten, sich zu entblößen und zu verbergen, zu kommentieren und zu parodieren. Couragiert und selbstironisch werden sie sich und ihr Künstlerleben in die Waagschale für die Freiheit der Kunst: gegen Verlogenheit und für die Gerechtigkeit. Zugleich erzielen sie einen Punktsieg für die freie performative Kunst.

Kieler Nachrichten, 06.04.2009

„Der Fall Esra“ performatorisch neu aufgerollt durch Angela Richter in der Hamburger Kampnagelfabrik, brachte zwar wenig Licht ins Dunkle von bekannten Unterstellungen und Verurteilungen in jahrelangen Rechtsstreit um den verbotenen Liebesroman von Maxim Biller. Aber Regisseurin und Schauspieler führen so intelligent wie ironisch den Beweis: In der Kunst – egal ob es sich um Literatur, Malerei oder Theater handelt – verschwimmen die Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit, von Täuschung und Wahrheit bis zur unkenntlichen Erkennbarkeit.

Theater der Zeit,Mai 2009